Warum funktioniert ein Shitstorm?

Netzwerkforschung – warum funktioniert ein Shitstorm I alpinonline

Der Vorteil sozialer Medien kann im Falle einer Krise schnell zum Nachteil werden – nämlich ihre enorme Reichweite und das schnelle Aktivieren einer großen Anzahl von Personen. Zudem verleiten negative Emotionen andere Personen, auch unbeteiligte, schneller zu einer Reaktion in den sozialen Medien. Die Empörungsspirale dreht sich durch häufiges Kommentieren und Teilen entsprechender Beiträge immer schneller. Unternehmen müssen hier rasch und professionell agieren, um diese Spirale durchbrechen zu können.

„Es handelt sich um eine Art von Macht, die entsteht, wenn sich viele Bürger beteiligen. Diese Macht kann kollektiv ausgeübt werden. Durch das Internet können viele Menschen in kurzer Zeit erreicht und mobilisiert werden. Sie zwingt ‚arrogante‘ Unternehmen in die Knie und kratzt am Image von Politikern – sie entfaltet eine Art von zusätzlicher demokratischer Macht, die in Vorinternetzeiten nicht vorhanden war. Durch die Möglichkeit der Organisation wird das Kollektiv mächtig.“ 

Stegbauer, 2018, S. 18

Die Empörungsspirale kann von einem Einzelnen gestartet werden. Wichtige Player sind beispielsweise Multiplikatoren und Influencer, die über eine große Reichweite verfügen und somit schnell weitere User mobilisieren können. Ebenso kann ein Medium oder ein kommerzieller Inhaber eines anderen Portals den Startschuss geben. Fühlen sich viele betroffen oder geht es um grundlegende Werte und Normen, die nach Meinung der User verletzt wurden, schreiten sie zur Tat. Mit Kommentaren und Likes, mit dem Teilen des Postings.

„Wenn man aber sieht, dass es viele Gleichgesinnte gibt, dann sorgt das dafür, dass die eigene Haltung gefestigt wird – ja sie wird sogar noch verstärkt.“ 

Stegbauer, 2018, S. 7

Hinzu kommt, dass man sich durch diese Aktivitäten einer Community zugehörig fühlt – den Künstlern, den Bergsteigern, den Experten für ein bestimmtes Thema. Dieser Community gegenüber gibt es einen bestimmten Grad an Loyalität und oft wird ein Post geteilt, ohne Rücksicht auf medienethische oder moralische Richtlinien, ohne jeglichen Faktencheck. Nein, es wird sogar noch etwas draufgelegt auf die vermeintlichen Tatsachen. All das muss mittels Shitstormmanagement entwirrt, in Issues geteilt und richtiggestellt werden bzw. müssen die tatsächlichen eigenen Fehler identifiziert werden.

„Moralische Verfehlungen müssen geahndet werden. Das gehört offenbar zum Kodex der Moral, mit dem wir sozialisiert wurden. Dies geschieht, weil die Werte bewahrt und immer wieder erneuert werden müssen, was im Skandal auch tatsächlich geschieht. Das bedeutet, dass sich im Skandal auch ein Aspekt von Strafe wegen des (Anm. vermeintlichen) Fehlverhaltens äußert.“ 

Stegbauer, 2018, S. 46

Die Algorithmen der Portale tragen das Ihre bei der Verbreitung negativer Nachrichten bei – indem sie diese verstärkt in die Filterblase und Social Bubble ähnlich gesinnter Personen ausspielen. Die Spirale dreht sich weiter.

„Das hat damit zu tun, dass Facebook, Twitter und andere in ihren Algorithmen die Lautesten und Wütesten nach oben spülen und somit den falschen Eindruck vermitteln, diese wären in der Oberzahl.“ 

Diekmann, 2021, S. 55

Ein weiterer Baustein für einen erfolgreichen Shitstorm ist die Tatsache, dass „es leichter zum Streit kommt, wenn man schriftlich kommuniziert“ (Stegbauer, 2018), S. 12. In den sozialen Netzwerken, unter dem Deckmantel der Anonymität, werden dann häufig noch alle Hemmungen über Bord geworden. Daher ist es auch so wichtig, im Shitstorm-Management der Firma und den Botschaften ein Gesicht zu geben.

„Man äußert sich anders, wenn einem kein Mensch gegenüber sitzt. Die Situation mit anderen Personen ist sozial reguliert.“ 

Stegbauer, 2018, S. 59

Das beste Rezept für einen erfolgreichen Shitstorm? Wenn die Nachricht relevant ist und zu dem betreffenden Zeitpunkt vielen ähnlich Denkenden aus dem Herzen spricht. In „Erwartung einer kollektiven Wirksamkeit“ (Folger 2013 in Stegbauer, 2018, S. 31)